HERR, behüte meinen Mund und bewahre meine Lippen! (Psalm 141,3)
Kein hässliches Wort komme über eure Lippen, sondern wenn ein Wort, dann ein gutes, das der Erbauung dient, wo es nottut, und denen, die es hören, Freude bereitet. (Epheser 4,29)
Gerade gestern habe ich einen Vortrag online gehalten, der sich mit Bonhoeffer befasste, insbesondere seinem kleinen Aufsatz "Von der Dummheit" und die Erkenntnisse in einen Bezug zu (nicht nur von mir wahrgenommenen) Problemen meiner Freikirche gesetzt. Es war ein mit großem Interesse aufgenommer Vortrag, gefolgt von einer angeregten Diskussion. Dabei wurde auch hinterfragt, welche positiven Ansätze angeboten werden könnten. Kritisch zu analysieren sei eine Sache, aber wie lassen Dinge, die verkehrt laufen, zum Guten wenden?
Das war eine Frage, die mich schon recht heftig traf, hatte ich doch zu Anfang des Referat sehr deutlich formuliert, dass es mir darum ging, die Gläubigen zu ermutigen, insbesondere jene, die sich von ihrer Kirche enttäuscht und entmutigt fühlten. Bonhoeffer selbst schreibt, dass "nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden" könne. Was genau heißt das? Tatsächlich glaube ich, dass selbst so ein Vortrag ein solcher Akt der Befreiung sein kann, dass Menschen eine neue, heilsame Blickrichtung für sich gewinnen. Aber ... es ist unumwunden einzugestehen ... das waren auch sehr scharfe und kritische Äußerungen.
HERR, behüte meinen Mund und bewahre meine Lippen! (Psalm 141,3) ist doch wohl ein Apell an das eigene Gewissen!? Gleichwohl geht der Text ja noch weiter:
Neige mein Herz nicht zum Bösen, / dass ich nicht in Frevel lebe gemeinsam mit Übeltätern; dass ich nicht esse von ihren leckeren Speisen. Der Gerechte schlage mich freundlich und weise mich zurecht; das wird mir wohltun wie Balsam auf dem Haupte. Mein Haupt wird sich dagegen nicht wehren.
Bin ich womöglich gar nicht der, dessen Mund und Lippen Zurückhaltung benötigen, sondern ein Gerechter der freundlich schlagend zurechtweist? Auch so lässt sich ja der Text durchaus lesen, denn dass ich meiner eigenen Kirche freundlich gesonnen bin, wird kaum jemand in Frage stellen können. So komme ich ins Grübeln.
Der Psalm spricht dann noch vom Beten: "Doch ich bete stets, dass jene mir nicht Schaden tun." Tatsächlich ist ja der ganze Psalm ein Gebet,offenbar in Bedrängnis. Und der ganze Psalm richtet sich an Gott. Auch der Losungsvers "HERR, behütet meinen Mund und bewahre meine Lippen" steht im Kontext des Abendgebets ... quasi beim Erheben meiner Hände im Gebet (Vs. 3) - behüte meinen Mund. Und doch bleibt wohl die Intention, dass ich nicht in die gleiche Falle tappe, wie meine Feinde. Dann doch lieber beten! Alles vor Gott bringen.
Der Lehrtext aus dem Neuen Testament ist da ein gutes Stück klarer - sogar im Zusammenhang. Der Schreiber ermahnt durchaus, ist kritisch gegenüber seinen Mitchristen. Das dürfen, ja müssen wir sein! Doch warnt er auch gegen eine ungesunde Haltung, die verletzt und schadet ... nicht zuletzt uns selbst:
25 Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. 26 Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen 27 und gebt nicht Raum dem Teufel. 28 Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann. 29 Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es hören. 30 Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung. 31 Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. 32 Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.
So möchte ich handeln. Und dafür braucht es wohl immer wieder das Gebet...